Sonntag, 5. Januar 2020

Artensterben - Bodenleben in Gefahr?

Für Bodenkundler ist der Boden die oberste, belebte Schicht der Erdkruste. Für Gärtner und Landwirte, die im Boden anbauen, ist er, wie auch Luft und Wasser, eine kostbare Ressource, auf die sie angewiesen sind - wir alle sind es, denn der überwiegende Teil unserer Nahrung und des Tierfutters werden im Boden angebaut. Böden sind aber kein unbelebter Stoff, an dem sich die Wurzeln festkrallen, damit die Pflanzen nicht umfallen oder vom Wind weggeblasen werden. Böden sind Ökosysteme und Lebensräume für Lebensgemeinschaften (Biota), die dem Boden viele seine Funktionen wie Wasser- und Nährstoffbereitstellung für die Pflanzen erst ermöglichen. Umweltforscher stellen den Boden daher als "Ökosystemdienstleister" dar, um uns seinen Wert besser begreiflich zu machen (wie man es auch bei Bestäuber-Insekten als Ökosystemdienstleiter inzwischen tut). (aktualisiert)

Nicht jedes Bodenlebewesen ist im Garten gern gesehen. Aber auch Wühlmäuse und Maulwürfe gehören zum Ökosystem Boden. Als Futter für Eulen und andere Tiere sind sie auch eine Schnittstelle zum oberirdischen Ökosystem.
Die Bodenfruchtbarkeit ist für jeden Gärtner, Landwirt und alle anderen, die von einem guten Pflanzenwachstum auf dem Boden abhängig sind, äußerst wichtig. Die Bodenfruchtbarkeit hängt beispielsweise vom Ausgangsgestein, der Körnungszusammensetzung, dem pH-Wert, von den organischen Bestandteilen, von der Aktivität der Bodenlebewesen, von der Art der Bodenbearbeitung, der Bodennutzung und vielem anderen ab. Die Bodenlebewesen haben dabei eine besondere Rolle: Sie wandeln abgestorbenes organisches Material in verwertbaren Dünger sowie in bodenverbessernden Humus und helfen der Pflanze, die Nährstoffe und Wasser aufzunehmen. Für die Bodenfruchtbarkeit wichtiger als kleine Säugetiere wie Wühlmäuse oder Maulwürfe sind Würmer, Insekten, Milben, Springschwänze und andere Bodenlebewesen und Mikroorganismen. Wie wichtig genau die einzelnen und sie alle als Gesamtheit sind (beispielsweise für die Bodenfruchtbarkeit, als Futter für Vögel und andere Tiere etc.) und wie gefährdet sie sind, ist noch weitgehend unerforscht.

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Bodenlebewesen wandern aber nicht einfach so durch die verschiedenen Böden und Bodenschichten, sondern die für den jeweiligen Standort geeigneten bilden zusammen ein Ökosystem, das unterschiedlich tief reicht und auch mit dem oberirdischen Ökosystem zusammenwirkt.

Zwar kennt man viele der Bodenlebewesen, die miteinander und mit den Pflanzen zusammen die Bodenfruchtbarkeit schaffen, aber in weiten Teilen sind die Bodenbewohner, ihre Gemeinschaften und ihr Zusammenwirken relativ unbekannt.

Beunruhigende Erkenntnisse der Wissenschaft zum Artensterben im Boden

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin (FUB) und des Berlin-Brandenburg Instituts für Biodiversitätsforschung (BBIB) sowie der Universität Ioannina (UoI, Griechenland) wollten wissen, was man überhaupt über die Ökosysteme im Boden weiß und ob man die Auswirkungen eines eventuellen Artensterben im Boden bewerten kann. Ihr Fazit: Das Risiko eines Artensterbens im Boden kann derzeit überhaupt nicht seriös bewertet werden. Es bestehe dringender Forschungs- und Handlungsbedarf!

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Die meisten Studien zum Artensterben befassen sich nämlich mit den Organismen oberhalb des Bodens, die unterhalb der Bodenoberfläche werden meistens außer Acht gelassen. Dabei spielen Bodenlebewesen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, den oberirdischen Teil der Ökosysteme am Leben zu erhalten.

Einige Studien zeigen, dass manche Bodenlebewesen – beispielsweise Baumpilz- und Erdwurmarten bestimmter Regionen – bereits verschwunden sind. Ob und wie sich deren Verschwinden oder das anderer Arten im Boden auswirkt, weiß man überhaupt nicht, warnen Stavros D. Veresoglou (FUB/BBIB), John M. Halley (UoI) und Matthias C. Rillig (FUB/BBIB) bei nature.com.

Wenn überhaupt Fallstudien zu Böden gemacht würden, so beschränkten die sich meist auf abgegrenzte Flächen, ausgewählte Arten oder sind reine Laborversuche – alle wenig aussagekräftig für größere, erst recht globale Dimensionen. Es fehle ein klares Bild über die verschiedenen Arten, Aufgaben, Hierarchien und Abhängigkeiten der Lebewesen im Boden – vom Mikroorganismus bis zum Wurm.

Da ein großer Teil der weltweiten Ackerflächen in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen ist, muss herausgefunden werden, wie es um den verbleibenden Rest der Böden steht und wie sich ein Aussterben von Arten auswirkt.

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Die Wissenschaftler raten daher dazu, die Grundlagenforschung und die angewandte Forschung zum Artensterben zu verstärken und den Boden viel stärker einzubeziehen, dabei neue Werkzeuge (beispielsweise DNS-basierte Identifizierung von Mikroben) und Ansätze einzuführen, Aussterbeszenarien aus der oberirdischen Welt auf unterirdische Ökosysteme zu übertragen, soweit sinnvoll, und neue Szenarien sowie geeignete Modelle für unterirdische Ökosysteme zu entwickeln, wo die Komplexität und die Bedeutung der Vielzahl an Mikroorganismen es notwendig machen.

Wie beim oberirischen Artensterben dürften auch beim Boden die Hauptgründe der Verlust von Lebensraum (beispielsweise durch Auslaugung/Auswaschung, Bodenversalzung, Bodenversauerung, Wüstenbildung, Bodenverdichtung, Bodenerosion, Versiegelung, sauren Regen, Bodenverschmutzung) und die Einwanderung fremder Arten sein – für beide ist der Mensch meist direkt oder indirekt verantwortlich.

Was können wir Hobbygärtner für das Bodenleben tun?

Wir können in unseren Gartenböden das Bodenleben bzw. Bodenorganismen unterstützen, beispielsweise durch
  • Kompostierung
    Mit der Kompostierung wird nicht nur ein nachhaltiger Stoffkreislauf geschaffen, der Gartenabfälle in Humus und Dünger umwandelt, mit dem wir den Boden verbessern und die Pflanzen düngen können. Sondern es baut sich während der Kompostierung eine Belebung der Gartenabfälle durch Bodenlebewesen auf. Siehe auch Kompostierung von Gartenabfällen  
  • Zufuhr von Humus und organischen Stoffen
    Mit organischer Düngung (statt mineralischer) - beispielsweise Kompost ausbringen -, durch Mulchen mit (regionalem) organischem Material, Gründüngung und ähnlichen Maßnahmen wird das Bodenleben angeregt. 
  • Schonende Bodenbearbeitung
    Wenn der Boden es zulässt (und das tun organisch gut versorgte, humose Böden normalerweise) sollte man auf das Pflügen beziehungsweise im Garten auf das tiefe Umgraben mit dem Spaten im Herbst und eine Frostgare über den Winter verzichten - die zerfällt sowieso meist mit dem ersten Regen wieder. Es ist besser, den Boden über den Winter bedeckt zu halten, beispielsweise durch eine Gründüngung oder Mulchen, und das Feld zur Bodenlockerung im Frühjahr zu grubbern und eventuell zu eggen - das entspricht im Gartenbeet der Verwendung eines Sauzahns und anschließend eines Handgrubbers (einfache Gartenwerkzeuge mit Stiel). 
  • Verzicht auf Salze, Säuren und andere giftige Chemikalien
    Viele Stoffe können dem Bodenleben schaden. Dazu zählt neben vielen zugelassenen Pflanzenschutzmitteln (Beipackzettel lesen oder gleich nicht kaufen) auch Salz, das von manchen gegen Schnecken auf den Boden gestreut wird. 
  • Verzicht auf betonierte Einfahrten, betonierte Gartenwege und andere totale Bodenversiegelungen, besser sind Rasengittersteine oder Wege aus Holz oder Stein mit durchlässigen Fugen. 
  • Ameisen umsiedeln, statt sie zu töten
Wir sind ein Teil des großen Ganzen und tragen Verantwortung, das dürfen wir nicht vergessen.

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1 Kommentar:

  1. Ein Bekannter von uns hat sich Kompostwürmer bestellt. Ob diese auch im Garten direkt zum Einsatz kommen können ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall wird das organische Material schneller umgesetzt und kann dem Boden zugesetzt werden.
    Herzlichen Gruß
    Susanne

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