Gärtnern in der Stadt hat viele Ausprägungen. Im Grunde ist man schon mit einem Blumentopf auf dem Balkon dabei. Doch der moderne "Urban Gardener" sucht das Gemeinschaftserlebnis. |
Urbane Gärten in Deutschland
Urbane Gärten als Orte der Begegnung - mit anderen und mit sich selbstViele urbane Gärten tragen als Gemeinschafts- oder interkulturelle Gartenprojekte innerhalb einer Nachbarschaft/Siedlung dazu bei, dass Menschen die Anonymität und die Isolation, die das städtische Leben oft mit sich bringt, überwinden. Menschen verschiedener Generationen und/oder kultureller Herkünfte treffen sich im Garten, arbeiten zusammen und tauschen sich aus, sie lernen miteinander und voneinander und feiern auch mal gemeinsam ein Gartenfest. Zu dieser Art urbaner Gärten gehören neben den Gemeinschaftsgärten des genossenschaftlichen Wohnungsbaus und den interkulturellen Gärten auch Stadtteilgärten, Mietergärten, Generationsgärten, Frauengärten, Jugendgärten, Kinderbauernhöfe, Schulgärten, Studierendengärten, therapeutische Gärten oder Gärten anderer Initiativen. Leider gibt es all diese verschiedenen urbanen Gärten noch nicht überall - aber einige deutsche Großstädte wie München und Berlin haben diesbezüglich doch einiges zu bieten.
Brachen zu Gärten
Manche urbanen Gärten entstanden durch engagierte Bürger, die Brachflächen in lebendige Nutzgärten verwandelten. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Prinzessinnengarten am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg. Auf einer Fläche, die 60 Jahre lang brachlag, gärtnern heute Menschen zusammen - sozial und ökologisch. Da die Nutzung mancher Brachflächen langfristig nicht gesichert ist oder manche Böden auch belastet sind, muss beim Gärtnern in der Stadt manchmal auf eine "mobile Anbauweise" zurückgegriffen werden: Es wird nicht direkt in den Boden gesät und gepflanzt, sondern in Hochbeete, Kisten, Säcke und andere Behälter mit Bioerde oder anderen Erden/Substraten.Krautgärten
Mietgärten vor der Stadt, von Städtern genutztZu den urbanen Gärten werden auch die Krautgärten gezählt - die liegen zwar mehr am Stadtrand als in der Stadt selbst, werden aber von den Städtern zum Anbau von Gemüse und Sommerblumen genutzt. Die Krautgärten-Flächen gehören der jeweiligen Stadt oder den Landwirten am Stadtrand. Sie verpachten Parzellen auf einem Feld meist jeweils für ein Jahr an anbauwillige urbane Gärtner. In der Regel werden die Parzellen schön vorbereitet, oft sogar der erste Satz Gemüse gepflanzt, sodass sich auch unerfahrene Hobbygärtner ins Vergnügen stürzen können: Unkrautjäten, Düngen (organisch!), Gießen u. a. Pflegearbeiten. Und am Ende der Kultur steht das Ernten. Und ist der erste Satz Salat oder Kohlrabi geerntet, kann sich der frischgebackene urbane Gärtner an seine eigene erste Aussaat oder Pflanzung wagen: Tomaten, Chili, noch mehr Salat usw. Auch Kinder sind oft mit Begeisterung beim Gärtnern dabei.
Kleingärten
Gartenparzellen in Kleingartenanlagen mit meist langfristigen PachtverträgenKleingärten (synonym: Schrebergärten, Lauben) sind Gärten, die Teil von Kleingartenanlagen (synonym: Gartenkolonien, Laubenkolonien) sind. Diese Kleingartenanlagen werden von verschiedenen Gartenvereinen/-verbänden verwaltet. Die Dachorganisation der deutschen Kleingärtner ist der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. mit 20 Landesverbänden und 15.000 Kleingartenvereinen. Was ein Kleingarten genau ist und wie er genutzt werden darf, ist im Bundeskleingartengesetz geregelt. In Deutschland gibt es ca. 1 Million Kleingärten.
Wer einen Kleingarten pachten möchte, muss sich bei seinem regionalen Kleingartenverband registrieren lassen und landet dann auf einer Warteliste. Wichtig: Man darf sich nur bei EINER Anlage anmelden und man muss den Hauptwohnsitz im Einzugsbereich der jeweiligen Anlage haben. Übrigens hat jeder Kleingartenverein eine Satzung, in die man vorab einen Blick werfen sollte.
Hat man einmal eine Parzelle ergattert, dann besteht der Pachtvertrag in der Regel bis zum Tod - außer der Pächter kündigt vorher. Befindet sich auf der eroberten Parzelle ein Gartenhaus, dann muss man dafür meistens Ablöse zahlen - und umgekehrt, wenn man kündigt, bekommt man auch eine Ablöse für sein Gartenhaus/Laube. Der Verpächter kann übrigens nur unter bestimmten Umständen kündigen, die im Pachtvertrag, in Kleingartenvereinssatzung und/oder dem Bundeskleingartengesetz festgelegt sind.
Auch die Bahn Landwirtschaft e.V. mit ihren deutschlandweiten Bezirken, verpachtet Grundstücke zur kleingärtnerischen Nutzung an ihre Mitglieder. Die Verwaltung bis zur Gartenvergabe solcher Kleingartenkolonien erfolgt ehrenamtlich durch Mitglieder.
Buchtipp:
Richtig anbauen und frisch genießen
Eva Schumann
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 16. Januar 2020
ISBN: 3-8186-1047-9
Urbane Gärten international
Urbane Gärten sind kein deutsches Phänomen. Urbane Gärten gibt es überall: in den Armensiedlungen (Favelas) von Rio de Janeiro/Brasilien, in den Slums afrikanischer Städte und mitten in New York Stadt. Und je nachdem, wo sie liegen - nicht nur geografisch, sondern abhängig von der örtlichen Armuts-/Wohlstandssituation -, haben die urbanen Gärtner andere Prioritäten und Anliegen - bei den einen sind die urbanen Gärten wichtigster Bestandteil im Kampf ums Überleben, bei den anderen das Mittel zu mehr Miteinander und ein Faktor im Kampf gegen Umweltzerstörung und für den Erhalt der Artenvielfalt. Oft aber auch alles zusammen.Manche Initiativen, wie NYC Parks Green Thumb, existieren schon seit Jahrzehnten, andere sind erst in den letzten Monaten aus der Not heraus entstanden. Tatsächlich begann die NYC Parks Green Thumb Initiative mit Guerilla-Gardening-Aktivitäten in den 1970er Jahren: Leute wie Liz Christy warfen Samenbomben (Gemenge aus Erde und Samen) über die Zäune verwaister Grundstücke. Die Stadt erkannte bald, welche positiven Effekte gemeinschaftlich organisierte urbane Gärten haben können, und unterstützte die Bürger bei ihren Begrünungs- und Gemeinschafts-/
Selbstversorgungsprojekten.
Urbane Gärten und Natur-/Umweltschutz
In den neuen Urban-Gardening-Projekten ist Nachhaltigkeit das wichtigste Grundprinzip. Und hier beginnt auch die politische Dimension. Die Unternehmen der Agrarindustrie arbeiten überwiegend nicht nachhaltig, denn ihr Interesse ist es, ihre Produkte zu verkaufen - sie werden daher verantwortlich gemacht für Monokulturen, Landzerstörung durch Abholzung und nicht nachhaltige Bewirtschaftung, (indirekte) Zerschlagung kleinbäuerlicher Strukturen, den Verlust regionaler und bewährter Sorten durch Saatgutmonopole und gentechnisch veränderte Organismen (Stichwort Monsanto), übermäßigen Einsatz von Pestiziden, Bienensterben und vieles mehr. Dem Treiben der Agrarindustrie will der neue Urban Gardener (wie auch der alte Öko-Anbauer) etwas entgegensetzen und das urbane Gärtnern ist ein Teil des politischen Engagements gegen die Agrarindustrie und für Natur- und Umweltschutz sowie eine andere Art der Landwirtschaft und des menschlichen Miteinanders.
Urbane Gärten sind mehr als ein Trend
Oft entstehen urbane Gärten in Notzeiten oder in Gegenden, in denen Not herrscht. Dort ist ihre Hauptfunktion, dass sie den Bürgern bei der Versorgung mit Lebensmitteln helfen. Aber auch im relativen Wohlstand sind Urban-Gardening-Projekte wichtig: Sie tragen zur Verbesserung des Stadtklimas (im doppelten Sinn) und der Artenvielfalt bei (Bienen überleben wenigstens in den Städten). Die Freude an der Gartenarbeit und am Wachsen und Gedeihen von Pflanzen allgemein und die eigene Erzeugung von Nahrungsmitteln im Speziellen tun dem Menschen gut. Kinder lernen die Zusammenhänge von Natur, Anbau und Nahrung kennen. Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt von Nachbarschaften oder Gleichgesinnten werden gefördert und manch einer findet über die urbanen Gärten sogar in einen (neuen) Beruf - den des Gärtners.
Durch die Beschäftigung mit Erde, Saatgut, Pflanzenanbau und Nahrungsmittelproduktion und die daraus gewonnenen Erfahrungen werden die neuen Gärtner in der Stadt immer sensibler für aktuelle Fragen und Probleme der Landwirtschaft, der internationalen Entwicklungszusammenarbeit sowie des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes. Sie stellen vor allem zunehmend die Agrarindustrie und die Politik, die sie unterstützt, infrage. Sie wollen Sortenvielfalt und regionale Sorten statt wenige, teure (genmanipulierte) Sorten in den Händen von Mega-Biotech-Unternehmen und die daraus resultierende Abhängigkeit eines jeden, der Pflanzen anbaut - abgesehen von den Folgen für Natur, Mensch und Umwelt. Sie glauben nicht daran, dass man der Welternährung hilft, wenn man mit subventionierten Lebensmittelexporten in Entwicklungsländer die dortige Wirtschaft kaputtmacht oder durch Land Grabbing und Monokulturen mit hohem Technikeinsatz vorhandene kleinbäuerliche Strukturen zerstört - um nur einige Beispiele zu nennen. Dank Internet verbünden sich die verschiedenen Initiativen miteinander - man braucht nur mal bei Facebook "Millions against Monsanto" einzugeben und weiß, dass "Urban Gardener" zusammen mit den Öko-Landwirten und den Naturschützern nicht nur in Deutschland, sondern auch international eine wachsende Macht sind.
Aber egal, ob man sich nur gärtnerisch oder sozial und/oder politisch einbringen will: Mitmachen ist erwünscht!
Bücher zum Thema Urbane Gärten
Vom Gärtnern in der Stadt*Die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt
Martin Rasper
Urban Gardening: Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt*
Christa Mueller
Jedem sein Grün!: Urbane Permakultur: Selbstversorgung ohne Garten*
Judith Anger, Immo Fiebrig, Martin Schnyder
Buchtipp:
Flexibel und mobil gärtnern: Blumen, Gemüse & Kräuter, Stauden und Gehölze in Töpfen, Kübeln, Kisten, Säcken und anderen Pflanzgefäßen anbauen und so Balkone, Terrassen, Dachterrassen, Eingangsbereiche verschönern und/oder für den Selbstversorgeranbau nutzen. Standortgerecht Gartenträume wahrmachen - vom ansprechenden Eingangsbereich über Duft-, Bienen-, Künstlerbalkon bis zur Wohlfühloase und/oder Selbstversorgerterrasse auf dem Dach.
Gärtnern in Töpfen:*
Balkon und Terrasse mit Pflanzen gestalten*
Eva Schumann
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 1. Auflage (2019)
Taschenbuch/Klappenbroschur, 128 S.,
86 Farbfotos, 3 Farbzeichungen, 17 Tabellen
ISBN 3-8186-0635-8
* Werbelink
Hallo Eva,
AntwortenLöschenich finde diese neue Entwicklung auch ganz spannend.
Ich wohne ja in der Stadt, habe einen ökologisch ausgerichteten Kleinstgarten, aber in der Umgebung ist die Lage zwiespältig: Man findet beides: Öde Rasenflächen und die schönsten Wildpflanzengärten.
Ich hoffe, dass die Bewegung bei uns noch mehr in die Gänge kommt.
VG
Elke
Hallo Eva,
AntwortenLöschenich finde die Urbanen Gärten eine sehr gute Entwicklung. Man sollte in der Stadt besser die kaum genutzten Rasenflächen durch sinnvollere Dinge ersetzten, wie zum Beispiel einen Urbanen Garten.
Ich finde beides wichtig - urbane Gärten, aber auch Spielwiesen. Irgendwo müssen die Leute ja auch Frisbee spielen können ;-)
AntwortenLöschenHallo,
AntwortenLöschenIm Beitrag wird festgestellt, dass wenigstens in der Stadt die Bienen überleben. Nun ja, wenn sie genauso behandelt werden wie außerhalb der Stadt, oder wenn ein Bienenhalter es aufsich nimmt, seine Bienenvölker wieder widrstandsfähig zu machen. Verluste bis 100% inbegriffen! Also alles auf 0! Und so weiter, bis man dort ist wo Bienen ohne Behandlung mit Säuren und Medikamenten überleben können. Stadtimker, die an den ganz normalen Lehrgängen teilgenommen haben, werden nicht das nötige Rüstzeug für behandlungsfreies Imkern mitbekommen haben. Und die "fertigen" Bienen schon garnicht.
Einige Vorteile der Stadt zum Land: Es werden nicht die gleichen Pestizide gespritzt. Man hat nicht die Monokulturen. Offensichtlich gibt es viele Stadtimker, die erfolgreich Bienenvölker halten. Vielleicht hier mal Kontakt aufnehmen Stadtimker
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